Onlinehandel & Innenstädte

Ausbluten der Innenstädte durch immer stärkeren Online-Handel

Stellungnahme:
Stationäres Einkaufen ist Kultur. Unsere Innenstädte sind Kultur. Die Begegnungen auf dem Wochenmarkt sind Kultur. Die Eisdielen im Sommer und das Schaufenster-Bummeln sind Kultur. Fußballspielen und Radfahren auf der Straße sind Kultur. Restaurants und Theater-Vergnügen in Innenstädten sind Kultur – Bestellen wir hingegen alles im Online-Handel, dann ist es vorbei mit dieser Kultur.

Obwohl dies ein offenkundiger Zusammenhang ist, entscheiden sich doch viele einzelne Konsumenten für den Online-Kauf, da er insbesondere zwei Vorteile bietet: Zum einen ist der Online-Kauf oft günstiger. Zum zweiten ist es vielfältig bequemer, sich die Ware nach Hause liefern zu lassen.

Ebenso wie das erste Argument ein ökonomisches ist, so ist es die „Heimlieferung“ letztlich auch, da der einzelne Konsument die gesamtgesellschaftlichen Kosten der vielen Transporte und der vielfachen Doppelt- und Dreifachtransporte durch Rücksendungen nicht zu tragen hat. Diese Kosten entstehen dem Verkäufer, der Verkehrsinfrastruktur, der Umwelt, um nur Einige zu nennen. Nach eigenen Schätzungen kann das Verkehrsaufkommen, welches durch Paket- und Lieferdienste in reinen Wohngebieten verursacht wird, einen Anteil von bis zu 30% des gesamten Kraftverkehres ausmachen.

Deshalb ist unser Ansatz, den Online-Handel um seine „wahren“ Kosten zu beaufschlagen, um dadurch den stationären Handel attraktiver zu machen und unsere Kultur zu bewahren.

Hierzu werden drei Lösungsansätze beschrieben:

  1. Verkehrs-Reglementierung von Wohngebieten
  2. Online-Steuer
  3. Grüne-Wiese-Steuer

Im Einzelnen:

  1. Verkehrs-Reglementierung von Wohngebieten

Es kann ja vom gesunden Menschenverstand her nicht sein, dass statt Verkehrsberuhigung und Verkehrsmeidung, nun die Lieferwagen von DHL, UPS, Hermes und vielen anderen Paketdienstleistern wegen jedes online-bestellten Artikels einzeln durch unsere Wohngebiete „rumpeln“. Nicht nur das eigene Fahraufkommen der Anlieger ist in der Regel so hoch, dass Kinder nicht ungefährdet auf der Straße spielen können, hinzu kommt jetzt der Paketdienst-Verkehr in beliebiger Höhe, der Papa’s Heim-Werkzeug und Mami’s Haushaltsartikel jeweils einzeln anliefert. Stattdessen hätten sich diese Bedarfsartikel in einer Einkaufsaktion am Samstag locker zusammen beschaffen lassen.

Unser Vorschlag ist also, die Einfahrt in Wohngebiete zur Sicherung der Lebensqualität mit einer Gebühr zu reglementieren. Die Festlegung der Gebührenhöhe des jeweiligen Wohngebietes, würde den Kommunen überlassen werden, auf Basis eines einheitlichen und bundes- oder europaweiten Gesetzesrahmens.

Ziel der Regulierung ist es, jedes in ein Wohngebiet einfahrende Fremdfahrzeug zu erfassen und mit einer Gebühr zu belasten. Im Gegensatz dazu ist die Zufahrt zu Mischgebieten, Gewerbegebieten und Industriegebieten weiterhin gebührenfrei, ebenso wie die Befahrung von Durchfahrtsstraßen. Die Zufahrt von Anlieger-Fahrzeugen (Eigenfahrzeuge) bleibt ebenfalls im eigenen Wohngebiet gebührenfrei.

Die Festlegung der Gebührenhöhe bleibt den Gemeinden überlassen. Die Gebühren sollen die Kosten decken, die für die Installation der Sensorik aufzuwenden sind, die an den Zufahrtsstraßen zu Wohngebieten zu installieren sind. Um die Kosten dafür in einem niedrigen Rahmen zu halten, könnte der Einbau von aktiven Identifikations-Sende-Einheiten in allen Fahrzeugen, vergleichbar mit dem Tele-Maut-System einiger Länder, verbindlich gemacht werden: Mit jeder Vorbeifahrt wäre das Fahrzeug registriert. Durch den Wettbewerb innerhalb der Gemeinden hinsichtlich der Gebühren-Höhe, wäre einem Gebühren-Exzess Vorschub geleistet.

Die Gebühren, die je Zufahrt in ein Wohngebiet anfallen, belasten primär die Paketdienste und führen dazu, jedes Wohngebiet so wenig wie möglich und so komprimiert wie möglich zu befahren, zum Nutzen der Anwohner. Die Paketdienstunternehmen werden diese Kosten über ihre Beförderungsentgelte an ihre Versender-Kunden im B2B-Geschäft weitergeben. Die Versender, als die Online-Verkäufer werden diese Kosten wiederum den Preisen ihrer Ware zuschlagen oder separate Transportkosten verlangen.

Somit trägt der Verbraucher letztlich die „wahren“ Kosten für online-bestellte Ware und hat damit einen finanziellen Anreiz, stattdessen stationär, also lokal einzukaufen.

Die Kommunen erhalten mit dem Recht zur eigenständigen Festlegung der Zufahrtsgebühren ein regulatives Mittel, um den Abbau oder Aufbau von stationärem Handel in ihrer Ortschaft oder ihrer Stadt zu beeinflussen.

  1. Online-Steuer

Ziel einer Steuer auf Güter, die über das Internet bestellt werden (Online-Steuer), wäre es, solche Käufe zu verteuern und gegenüber dem stationären Handel unattraktiver zu machen.

Die Online-Steuer würde direkt beim Verkäufer angesetzt werden und würde alle Geschäfte betreffen, die in den Bereich des Fernabsatzes auf B2B Artikel entfallen. Die Steuer würde sich in Prozent auf den Umsatz beziehen. Die Klassifizierung als Endverbraucherware (B2B Artikel) könnte auf die schon bestehende Einstufung im Bereich der Elektroschrottverordnung aufsetzen.

Hier würden der Bund oder die EU den Rechtsrahmen schaffen und auch die Steuerhöhe einheitlich festlegen. Das Steueraufkommen könnte frei verteilt werden.

Eine mögliche Höhe der Online-Steuer könnte 10% auf die online erzielten Umsätze vor Mehrwertsteuer betragen.

Nachteile: Wir denken, vor dem Hintergrund des Gleichberechtigungsgrundsatzes wird es schwerfallen, eine solche Steuer einzuführen, die nur auf eine Handelsform wirkt.

  1. Grüne-Wiese-Steuer

Ziel dieser Abgabe wäre es, eine Differenzierung zu schaffen zwischen solchen Einzelhandelsgeschäften, die sich in Innenstadtlagen befinden und solchen, die sich außerhalb von Ortschaften oder in Randlagen befinden (grüne Wiese). Diese Differenzierung ergibt sich aus einem positiven Beitrag zu einer innerstädtischen oder innerörtlichen Einkaufs- und Kulturgesamtheit versus einem negativen Beitrag zu einer solchen Gesamtheit.

Geschäfte und insbesondere Geschäftszentren auf der grünen Wiese, ziehen Einkaufsverkehr aus den Innenstädten ab, was in der Regel ungewollt ist und die Innenstadt am Ende einer mehrjährigen Entwicklung entvölkert und verödet zurücklässt.

Für viele große Einzelhändler ist die grüne Wiese verkehrstechnisch attraktiver, da für die Kunden mit dem Auto besser erreichbar und mit mehr Parkfläche versehbar. Diese üben starken Druck auf die kommunalen Verwaltungen aus, solche Bauplätze zur Verfügung zu stellen. Der Nachteil diese Ansiedelung ist, neben dem enormen Flächenverbrauch, dass die Mehrzahl der kleinen Einzelhändler, die für sich genommen weniger publikumsanziehend sind, als z.B. ein Lebensmittelvollsortimenter.

Alle diese „normalen“ Einzelhändler leben von der Attraktivität des Gesamtensembles aller Einzelhändler innerhalb einer fußläufig durchlaufbaren Einkaufszone, einschließlich der anziehungsstarken Geschäfte, und existieren nur solange es die funktionierende Gesamtheit gibt: Brechen die Starken aus, ist es mit der Gesamtheit und den Schwachen bald vorbei.

Hier setzt die Idee der „Grüne-Wiese-Steuer“ an, die Umsätze solcher Einzelhandelsgeschäfte mit Innenstadtrelevanz mit einer Abgabe zu belegen, die sie gegenüber den Innenstadtgeschäften unattraktiver macht.

Diese Steuer würde wiederum auf einem Europäischen oder Bundes-deutschen Rechtsrahmen basieren und von den Landkreisen erhoben werden und würde vom Aufkommen her diesen zustehen. Hier sollte die Zuständigkeit der Kommunen vermieden werden, da sonst kleine Gemeinden mit niedrigeren Steuern oder gar keiner Steuer, die Bestrebungen großer Gemeinden in der Nachbarschaft leicht aushebeln können. Dafür könnte in Deutschland die Kreisumlage entsprechend sinken.

Eine mögliche Höhe der Grüne-Wiese-Steuer könnte 5% auf die in solchen innenstadtrelevanten Geschäften erzielten Umsätze vor Mehrwertsteuer betragen.

Der Einzelhandel für nicht innenstadtrelevante Ware (z.B. KFZ-Teile) wäre von der Abgabe nicht betroffen.

Nachteile: Auch hier wird der Gleichberechtigungsgrundsatzes in die Suppe spucken, und es wäre wohl schwierig eine Innenstadtlage gegen eine Lage auf der „Grünen-Wiese“ stets klar voneinander abzugrenzen.

  1. Sonstiges Maßnahmen

Rückgaberecht: Wo im Online-Handel ein freiwilliges Rückgaberecht mit einer Dauer von vier Wochen typischerweise eingeräumt wird, ist es im stationären Handel gesetzlich per se nicht verpflichtend und wird typischerweise mit 14 Tagen freiwillig praktiziert. Dadurch entsteht ein Vorteil für den Online-Handel.

Um diesen Vorteil auszugleichen, wäre es sinnvoll ein einheitliches Rückgaberecht bei allen Verkäufen an Verbrauchern von vier Wochen gesetzlich zu verankern.

Fazit:

Vielleicht gelingt uns hier mit einer beherzten Gesetzgebung eine sinnvolle Regulierung des Online-Handels zum Wohle und zum Schutz unserer Kultur. Schaffen wir es nicht, so werden „amerikanische Verhältnisse“ die Folge sein, wo alles autogerecht auf der „grünen Wiese“ ist: Einkaufszentren, Restaurants, Kinos, etc.  – Europa ist anders. Deutschland ist anders.

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