B27: 50ter Jahrestag des gebrochenen Versprechens

Stau auf der B27 – seit über 50 Jahren: Vor 50 Jahren (genau genommen schon im Jahr 1961) hat das Land Baden-Württemberg die Notwendigkeit erkannt, dass die B27 zwischen Balingen und Stuttgart durchgängig vierspurig ausgebaut werden muss.

Das Versprechen zu diesem Ausbau ist bis heute nicht vollständig eingelöst mit der Folge langer Staus für Autofahrer, die zu täglichen Zeitverlusten führen. 

Auf diesen Jahrestag des gebrochenen Versprechens wollen wir hinweisen, um Aufmerksamkeit und – hoffentlich endlich – Aktivität und Fertigstellungen der Straße zu erreichen.

Das Versprechen
Vor langer Zeit, im Jahr 1961, hat das Land Baden-Württemberg eine Verkehrsstudie in Auftrag gegeben. Aus dieser Studie geht hervor, dass die Bundesstraße 27 von Donaueschingen über Balingen und Hechingen bis Stuttgart so stark befahren war, dass ein vierspuriger Ausbau geboten erschien. Noch im selben Jahr beschloss der Landtag die Umsetzung dieses Verkehrskonzepts.

Damals wurde in Erwägung gezogen, die B 27 zur Autobahn aufzuwerten. Eine Nummer gab es dafür auch schon: Die A 83 hätte es werden sollen.

Im Jahr 1969 versprach Herr Oberregierungsbaudirektor Autenrieth in Ebingen, dass die B 27 über ihre ganze Länge als „zweibahnige autobahnähnliche Straße“ ausgebaut werden wird.

Was in der Zwischenzeit geschah

Im Jahr 1971 gab es eine Demonstrations-Reise der CDU und der Jungen Union Balingen nach Bonn. Um dort den zügigen Bau der Straße anzumahnen, haben die „Zollernälbler“ vor dem Bundesverkehrsministerium in einem Zelt übernachtet und Mahnwache gehalten.

Dann aber folgten knapp 50 Jahre der Stagnation und der halbherzigen Maßnahmen. Es wurden falsche politische Prioritäten gesetzt, in deren Folge zu wenig in Infrastruktur investiert worden ist. Zwar wurde die B 27 von Stuttgart bis Tübingen ausgebaut und, in einem mutigen Schritt, durch den Zollernalbkreis bis Balingen, aber eben nicht durchgehend und vollständig.

Als Verhinderungsgründe wurden die Ölkrise in den 70er Jahren, diverse kleinere Wirtschaftskrisen in den 80er Jahren und schließlich die Kosten der Deutschen Einheit in den 90er und 2000er Jahren herangezogen.

Parallel dazu hat sich die Entwicklung unseres Landkreises entsprechend schwierig gestaltet: In diesen Zeitraum fiel der Niedergang der starken Textilindustrie ebenso wie auch der Niedergang der Möbelindustrie und der allgemeine Rückzug der Landwirtschaft. Dafür haben sich der Maschinenbau, die Metallverarbeitung und die Hersteller von medizinischen Produkten gut entwickelt, um nur einige zu nennen. Diese Entwicklung gelang weitgehend ohne staatliche Subventionen und „Kohlepfennig“.

Über Jahrzehnte war die Arbeitslosigkeit in der Zollernalb-Region deshalb höher als im Landesdurchschnitt. Bis heute haben wir eine einseitige Gewerbestruktur, in der die Metallverarbeitung stark dominiert. Solange der Automobil- und Maschinenbau gut läuft ist das unproblematisch; dreht sich der wirtschaftliche Wind jedoch, dann haben wir ein wieder ein strukturelles Problem. Im Zollernalbkreis fehlt es bis heute an hochwertigen Dienstleistungen und Verwaltungen, die sich mangels Infrastruktur hier nicht ansiedeln (wie z.B. in Rottweil an der A 81 geschehen).

Trotzdem haben wir heute quasi Vollbeschäftigung erreicht. Daher:

Die Menschen waren fleißig und haben „geliefert“;
die politisch Verantwortlichen haben nicht mitgezogen.

Die politische Verantwortung

In den 66 Jahren des Bestehens unseres Bundeslandes war die CDU 60 Jahre lang in Regierungsverantwortung und hat die allerlängste Zeit davon auch den Ministerpräsidenten gestellt. Damit ist die CDU zu über 90% für die Stagnation der B 27 verantwortlich. (Quelle: Wikipedia)

Der Landes-CDU kommt insofern besondere Bedeutung zu, als dass sie ihren Einfluss auf die Infrastrukturprojekte des Bundes nicht nachhaltig genug geltend gemacht hat. Insbesondere wurde versäumt das einflussreiche Bundesverkehrsministerium einzufordern: Seit dem Entstehen des Ministeriums im Jahre 1949 gab es gerade mal einen Verkehrsminister, der aus Baden-Württemberg stammt (Matthias Wissmann aus Ludwigsburg). Wie man es besser machen, zeigen die Bayern, die 19 Verkehrsminister stellten und bis heute stellen: Kein Wunder, dass die Infrastrukturentwicklung in Bayern viel weiter gediehen ist, als in unserem Ländle.

Auch die langjährigen SPD Bundestagsabgeordneten aus dem hiesigen Wahlkreis und dem Wahlkreis Tübingen tragen Verantwortung dafür, dass hinsichtlich der B 27 nicht stringent gehandelt worden ist.

 

Die Bremser
Hier ist in erster Linie die Stadt Tübingen zu nennen, die schon seit den 70er Jahren gegen den vierspurigen Ausbau der B 27 durch Tübingen, parteiübergreifend Position bezogen hat.

Im Jahr 1994 gab es schon eine sehr konkrete Trassenplanung zur vierspurigen Durchfahrt der B 27 durch Tübingen an den ehemaligen französischen Kasernen vorbei (sog. „Gögler-Trasse). Die Trasse war tiefergelegt mit geschlossener Decke, also unterirdisch, geplant. Diese sinnvolle und ökonomische Trassen-Variante wurde von der Stadt Tübingen torpediert und schließlich zu Fall gebracht.

Der nächste Trassenvorschlag des Regierungspräsidenten Wicker wurde ebenso von Tübingen abgelehnt.

Eine schnelle und zügige Durchführung des B 27 Projektes wurde und wird bis heute durch eine Vielzahl von Rechtsauflagen behindert, die zwar gesetzlich verankert sind, aber mehr oder weniger zweifelhaft erscheinen. Hier geht es um den Schutz bei Krötenwanderung ebenso wie um Lärmschutz und um viele andere Aspekte, zu denen Gutachten eingeholt werden müssen, sowie Eingaben, Anhörungen und Anderes, die den Fortschritt verzögern.

Schließlich wurden in den Regierungsjahren von Herrn Teufel und Herrn Oettinger viele Stellen von Straßenplanern aus Spargründen gestrichen. Jetzt da die finanziellen Mittel wieder vorhanden sind, fehlt es, mangels Planer-Kapazitäten, an der Fertigstellung baureifer Planungen. Diese Personallücke kann nur langsam und sukzessive geschlossen werden.

Zum Vergleich: Der Freistaat Bayern leistet sich rund das Doppelte an Planungskapazitäten im Unterschied zu Baden-Württemberg. Das hat zur Folge, dass Bayern viel mehr frei werdende Finanzmittel des Bundes abnehmen kann, als unser Bundesland.

 

Der Ausblick
Es gibt auch guten Nachrichten im Zusammenhang mit der B 27. So sind die Ausplanungen des vierspurigen Ausbaus der B 27 zwischen Bodelshausen und Nehren weit fortgeschritten und mit dem Planfeststellungsverfahren soll im Herbst diesen Jahres begonnen werden. Danach folgen die Bauausschreibung und dann der Bau. Dieselbe Zeitschiene gilt auch für den Tübinger Schindhaubasistunnel. Diese ist zwar die teuerste Variante, aber auch hier zeigt die ausführende Behörde – das Regierungspräsidium Tübingen – nicht nur hohen Arbeitseifer, sondern auch persönlichen Ehrgeiz der dort Verantwortlichen, einen schnellen Baustart zu erreichen.

Ebenfalls positiv und nicht hoch genug einzuschätzen ist, dass mit unserer CDU Landtagsabgeordneten Frau Dr. Hoffmeister-Kraut, eine sachkompetente Vertreterin unserer Raumschaft am Kabinettstisch in Stuttgart sitzt. Es kann der Eindruck gewonnen werden, dass Frau Dr. Hoffmeister-Kraut die Wichtigkeit von Infrastruktur für den ländlichen Raum verstanden hat, dieses Thema zu Chefsache macht und die Dinge final ins Rollen bringt. Mit ihr ist die Landesregierung aufgerufen, dafür Sorge zu tragen, dass

  • ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stehen (zum Vergleich: Die Schweiz investiert das Doppelte bis Dreifache in Infrastruktur als unser Bundesland),
  • ausreichende Planungskapazitäten vorhanden sind

und im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf Einfluss zu nehmen, dass

  • unnötige und bremsende Rechtsauflagen abgeschafft werden, damit die Planungsverfahren beschleunigt werden,
  • endlich die staatliche Infrastrukturplanung (z.B. der Bundesverkehrswegeplan) nur so viele Projekte umfasst, wie tatsächlich finanzierbar sind.

Dabei wünschen wir als Bürger der Region viel Erfolg und sind optimistisch, dass wir nicht weitere Jahrestage dieser Art begehen müssen.

Letztes Versprechen
Wenn sich zum 51. Jahrestag immer noch nichts getan hat, dann organisieren wir selbst die Bagger und fangen an, unsere Straße endlich zu bauen.

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