Diskussion „Innenstadt & Onlinehandel Video & Text

Balingen, den 2019 10 24 mit:

Herrn Nikos Andreadis, Moderator

Herrn Oliver Schmid, Bürgermeister Stadt Geislingen

Herrn Hubert Schiele, Bürgermeister Gemeinde Bitz

Frau Manuela Früholz, Vorsitzende HGV Albstadt

Herrn Bernd Flohr, Vorsitzender HGV Balingen

Herrn Reinhold Schäfer, Bürgermeister Balingen

Herrn Albert Sauter, Denkfabrik

Ziel: Innenstädte im Zollernalbkreis: Wie können wir unsere Innenstädte als Kulturgüter erhalten? Insbesondere: Wie können wir unseren stationären Einzelhandel schützen und ausbauen?

Einführung:

  • Film: Lokale Situation – Einzelstimmen – www.denkfabrik-zak.de
  • Film: Erklärfilm – Denkfabrik ZAK – www.denkfabrik-zak.de
  • Statistiken Onlinehandel & Einzelhandel

Vordiskussion:

H Schiele: Die Bequemlichkeit hat die Konsumenten früher in große Universal-Geschäfte, statt in kleine Läden getrieben. Heute ist es ein Grund für den starken Onlinehandel.

B Flohr: Es sollte sich mehr Bewusstsein für die Innenstädte als Lebensräume entwickeln. Es müsste jeden Tag eine Anzeige in der Zeitung zum Thema „Kaufe regional ein“ geben.

M Früholz: Online-Käufer verlieren den sozialen Anschluss.

O. Schmid: Drohnen ersetzen die lokalen Auslieferungen .. das ist eine Befürchtung

Diskussionspunkte:

  1. Wie stellt sich die aktuelle Situation beispielhaft im Zollernalbkreis dar?

H Schiele: Bitz: 2 Einzelhändler waren da .. und dann weg
Kleine Gemeinden – wie Bitz – kämpfen heute um die lokale Grundversorgung mit Nahrungsmitteln und schon lange nicht mehr um andere Geschäfte.

O Schmid: Geislingen: Insgesamt verliert der Einzelhandel .. wir kämpfen alle um den Erhalt des Einzelhandles

M Früholz: Ebingen: Selbst in Ebingen verliert der Einzelhandel: Aus der Oberen Vorstadt ist schon viel weg. Auch die obere Sonnenstraße verliert.

A Sauter: Balingen: Der einzige Spielwaren-Händler am Ort macht zu.

R Schäfer: Balingen ist auf einem hohen Niveau, auf dem man sich aber nicht ausruhen darf. Ein künftiges Problem könnte die Einschränkung und Verteuerung des Individualverkehrs werden. Wie sollen die Menschen ohne Auto in die Städte kommen?

B. Flohr: In Balingen gibt es bemerkenswerte Leerstände von Ladengeschäften. Diese unnötigen Leerstände schaden der Optik der Innenstadt. Die Gründe dafür sind oft zu hohe Mieterwartungen – es geht ums Geld. Junge & kreative Einzelhändler haben deshalb schlechte Karten beim Start. Es gibt manchmal zu wenig „regionale Verbundenheit“ der Hausbesitzer.
Hier sollte die Kommune eine „Leerstandsregulierung“ einführen, die nach zwei Jahren Leerstand eines Ladengeschäfts eine Abgabe vorsieht.

  • Welche langfristigen Auswirkungen hat der Rückgang des Einzelhandels auf das soziale Leben in der Kommune, insb. hinsichtlich der ortsansässigen Dienstleistungen, der Gastronomie und des Vereinslebens?

H Schiele: Das „Leben“ auf den Plätzen hat abgenommen. In kleinen Dörfern hat man früher mehr miteinander gesprochen. Heute – mangels Läden in der Innenstadt – fahren die Leute mit dem Auto durch den Ort und man redet („schwätzt“) nicht mehr miteinander. Die Leute laufen einfach nicht mehr.
Das öffentliche Leben im Freien nimmt ab und verlagert sich ins Auto.
Was ist, wenn auch Lebensmittel noch angeliefert werden – begeben wir uns dann gar nicht mehr in die Öffentlichkeit (Wochenmarkt, Supermarkt)?

R. Schäfer:              Einpendler, die in Balingen arbeiten, sind wichtig für den Einzelhandel und auch für den Dienstleistungsbereich. Einpendler nehmen auch die Balinger Ärzte in Anspruch und tragen so zur guten Auslastung der Praxen mit bei.  

                             

  • Welche Maßnahmen haben die Gemeinden und Einzelhandelsverbände auf lokaler Ebene ergriffen und wie wirksam waren diese?

H Schiele:               Innenstadtverschönerungen sind ein wichtiger Baustein, es ist aber nicht alles.

Tatsächlich ist der lokale Handel den örtlichen Bewohnern nichts wert. Man geht nicht bevorzugt lokal einkaufen. Der Aufschrei kommt immer erst, wenn ein Laden schließt.

O. Schmid               Das bequeme Parken ist ein weiterer wichtiger Faktor: Pro 1000 Einwohner ist der Konsument in einer Kommune bereit, 10 m zu Fuss zum Laden zu gehen. In einer 4.000 Einwohner Gemeinde, dürfen es also gerade mal 40 m Weg zum Laden sein, sonst wird der Weg als störend empfunden.

                               Eine Innenstadt kann idealerweise mit Cafes und Wasserläufen (Bächen) eine Wohlfühl- und Erlebnisatmosphäre schaffen.

  • Welche Maßnahmen zum Schutz der Innenstädte und des Einzelhandels könnten auf Bundesebene & Europa-Ebene ergriffen werden?

B Flohr: Die mangelhafte Steuergerechtigkeit ist ein großes Manko: Amazon & Co bezahlen nahezu keine Steuern in Deutschland.

H Schiele: Insgesamt sind Transporte zu günstig: Nicht nur die Anlieferungen, sondern auch die hohen Retourenquoten mancher Erzeugnisse sind unverhältnismäßig hoch.

Aktuell darf keine City-Maut erhoben werden. Auch die Autobahn- & Bundesstrassenmaut wird bei Lieferfahrzeugen (Sprinter) nicht erhoben. Beides ist falsch und sollte geändert werden.

Eine Regulierung des Wegwerfens von zurückgesendeten Artikeln wäre wohl richtig – ebenso wie höhere Retourenkosten an sich, um das Verbraucherverhalten besser zu steuern. 

Richtig war die Sozialgesetzgebungsnovellierung von Transportunternehmen

Argumente für den lokalen Einzelhandel & Erlebnis-Shopping

B Flohr: Der lokale Einzelhandel schafft Ausbildungsplätze für junge Menschen

A Sauter  : Der lokale Einzelhandel unterstützt/sponsert Vereine und Gruppen. Amazon nicht.

R Schäfer: Der Einzelhandel wird oft als Berater missbraucht – der Kauf wird danach dann online gemacht.

H Schiele: Es gibt schon Fälle, in denen im Laden eine Gebühr für das Anprobieren berechnet wird. Z.B. 10 € beim Schuhkauf 

H Schiele: Schnelligkeit und Einfachheit – ehemals Vorteile des lokalen Handels – sind mittlerweile eher Vorteile des Onlinehandels geworden.

H Schiele: Verkaufsoffene Sonntage bringen immer viel Publikum .. nicht aber automatisch viel Umsatz .. das Erlebnis steht im Vordergrund

Die Vorteile des Verbleibs der lokalen Wertschöpfung in der Gemeinde, ist den Konsumenten tatsächlich nichts wert. Sprich: Etwas höhere Preise in kleinen lokalen Läden werden nicht akzeptiert.

Regionale Vernetzung

O. Schmid: Der lokale Handel sollte selbst mehr online verkaufen. Über eine „Zollernalb-App“ könnten sich alle Händler im ZAK zu einem großen Online-Shop zusammenschließen

M Früholz: Ein solcher kommunaler Online-Shop wurde in Albstadt schon mal versucht. Dieser Shop war nach sechs Monaten „eine Ruine“. Der erfolgreichen Umsetzung standen neben handwerklichen Problemen, wie der Vernetzung des Shops mit den Kassensystemen der Einzelhändler (EDI) auch das systematische Problem der Datenpflege der vielen Verkaufsartikel im Weg.

Allerdings ist eine andere App recht vielversprechend gestartet: In dieser App kann sich jeder Shop präsentieren und über eine Navigationsfunktion gefunden werden. Diese App hat keine direkte Kauffunktion

Idealerweise sollten hierbei alle Geschäfte im ganzen ZAK mitmachen.

B Flohr: Mehr Vernetzung innerhalb des Landkreises wäre wichtig, ähnlich wie die EU, nur auf lokaler Ebene. Lösungen auf Kreis-Ebene könnten viel mehr erreichen. Jeder lokale HGV-Verband für sich ist zu klein, um Großes zu erreichen.

M Früholz: Die Vernetzungen der Traufgang-Gastgeber funktioniert gut.

R. Schäfer: Die Zielgruppe für Möbel hat einen Einzugsbereich von bis zu 100 km. Andere Sortimente haben einen Einzugsbereich von 30 km um Balingen. Die Zielgruppe lebt im Kreis .. bzw. in der Region von Sigmaringen bis Sulz.

O Schmid: Die Kommunen würden gerne mehr Dienstleistung für die Händler erbringen und mehr Werbung für die Kommune machen .. aber die Ressourcen dafür sind knapp.

B Flohr: Eine zentrale HGV-Stelle im Zollernalbkreis für das Marketing für den Einzelhandel und für die Vermarktung der Kommune wäre gut. Ideen zur besseren Zusammenarbeit gibt es viele.

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